Monatsarchiv für September 2010

22. September 2010

Die Mär vom Zickenkrieg

Heute Morgen habe ich von Simonetta Sommaruga einen freundlichen Gruss per Mail bekommen: sie freue sich über ihre Wahl zur Bundesrätin. Wie ich auf ihre Mailing-Liste gekommen bin, weiss ich nicht, aber auch ich freue mich über ihre Wahl, vor allem aber darüber, dass erstmals die Frauen die Mehrheit im Bundesrat bilden. Für fünf Frauen hat’s leider nicht gereicht, aber auch vier Frauen werden ausreichen, um umfassende Zickenkriegprophezeihungen zu provozieren. Der “Zickenkrieg” ist ja ein sehr praktisches Instrument, um den Anspruch von Frauen auf angemessene Repräsentation zu bekämpfen: Angesichts von Frauenteams und Frauenmehrheiten ist die Heraufbeschwörung desselben jedenfalls meistens nicht weit. In der Basler Zeitung (unter Somm kein Wunder…) holt beispielsweise die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli zum Rundumschlag gegen Gleichstellung, Feminismus und Frauenmehrheit im Bundesrat aus - auch sie mit dem Argument des Zickenkriegs. Immer öfter frage ich mich, wer diese gewaltige Waffe des Antifeminismus erfunden hat: Meine (Arbeits- und sonstigen) Erfahrungen in Teams mit Frauen waren jedenfalls immer friedlich und produktiv. Natürlich menschelt es im Bundesrat wie an andern Orten auch - ob aber daraus Zickenkriege oder Gockelkämpfe hochstilisiert werden, ist eine politische Frage und hat mit der Realität nichts zu tun.

15. September 2010

Begegnungszone: wo man beim Kaffee Autos begegnet

Seit letztem Jahr dürfen wir einander in der Mittelstrasse (Bern) begegnen, dürfen auf der Strasse flanieren und die Autos müssen abbremsen, können in Strassencafés Kaffee trinken ohne Kühlerhaube vor der Nase… Doch halt, irgendetwas ist schief gelaufen: es sind zwar Parkplätze aufgehoben worden, doch seltsamerweise nicht vor den Cafés, sondern vor der Migros. Tja, doch, es lässt sich ja auch vor der Migros die Sonne geniessen und erfrischende Getränke gibt’s beim Grossverteiler zuhauf. Im vorderen Teil der Mittelstrasse darf scheinbar weiterhin fröhlich parkiert werden, und zwar nicht nur auf den offiziellen Parkfeldern, sondern wo’s der motorisiserten Bevölkerung beliebt. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir die Gipfeli von der Bäckerei Glatz nicht mehr mit dem Auto holen könnten?
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So sitzen nun vor der besagten Bäckerei die Kaffee Trinkenden auf dem schmalen Streifen zwischen Kühlerhauben und Geschäft, und die Flanierenden drängen sich so schnell wie möglich an den Autos vorbei. Kaffee trinke ich dort schon lange nicht mehr, eigentlich sollte ich die Bäckerei auch für Gipfeli u.ä. boykottieren, so lange sie das Parkverbot bei ihrer Kundschaft nicht durchsetzt. Bis jetzt hat’s leider sonntags für Gipfeli keine Ausweichmöglichkeiten in der Mittelstrasse. Für den Kaffee dagegen hat’s sehr empfehlenswerte Alternativen: Vor dem Tingel Kringel begegnet man ausser der Sonne nur parkierten Velos (auch die Kuchen und Torten sind absolut empfehlenswert!), und vor der Gelateria di Berna begegnen sich die Leute wirklich, sei’s beim Anstehen für die köstlichen Gelati, sei’s an einem der gemütlichen Tische des dazugehörigen Cafés. So stelle ich mir eine Begegnungszone vor, und ich hoffe, dass es den Flanierenden bald gelingt, die ganze Strasse zu erobern und die Blechkarossen zurückzudrängen.
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9. September 2010

Ach, jetzt der auch noch!

Nicht das mir Bastian Sicks Tüpflischiss je besonders sympathisch gewesen wäre, aber ab und zu konnte ich wenigstens darüber grinsen. Nicht so aber über die gestrige Zwiebelfisch-Kolumne: Nachdem der mediale Zerriss des Berner Sprachleitfadens schon längst im Sommerloch versunken ist, hat nun auch Bastian Sick die Broschüre für sich entdeckt, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Abgeschrieben hat er beim Blick (”das Elter”…) oder in intellektuell unterbelichteten Online-Foren, einen Blick in den Sprachleitfaden hat er vermutlich nicht getätigt. Wirklich originell ist das Produkt nicht, aber es werden sich sicher noch ein paar eingefleischte Ewiggestrige finden, die auf den Zug aufspringen…