Wildnis und Einsamkeit
Heute sind wir in Jaspers angekommen. Nicht ganz so wie erhofft (davon spaeter mehr), aber mit genuegend Zeit um zu waschen, was bitter noetig war, und nach einer Woche Einsamkeit und Natur mal wieder in ein Internet-Cafe zu gehen.
In Clearwater haben wir niemanden mehr gefunden, der Nathans Velo anschauen wollte oder konnte. Also sind wir nach unserem Pausen- und Reparaturtag weiter in Richtung Norden gefahren. Am Samstag und Sonntag haben wir insgesamt 200 Kilometer durch einsamste Berge (na ja, ein paar Autos hatte es schon, aber doch keine nennenswerten Ortschaften) zurueckgelegt. Unterwegs drei Platten an Nathans Rad, eine wegen einer Scherbe, zwei, weil die Billigstschlaeuche “Made in Taiwan”, die das Ski- und Velocenter uns in unsere Velos eingebaut hatte, beim Pumpen neben dem Ventil gerissen sind. Also: wenn ihr mal einen Schlauch gewechselt haben muesst, wir haben jetzt Uebung…
Diese zwei Velotage hatten aber durchaus auch ihre guten Seiten: Mein frisch geflicktes Velo lief wunderbar, die Landschaft war wunderschoen, die Berge wurden immer hoeher und bald kamen auch die ersten Schneefelder in Sicht. Ausserdem sahen wir unterwegs drei Baeren, die jetzt nach dem Winterschlaf gluecklicherweise mehr Appetit auf Gruenzeug als auf Fleisch haben und nicht aggressiv sind. Eindruecklich waren diese Begegnungen aber schon… Das Lustigste war aber, dass auf dem Campingplatz im 300-Seelen-Kaff Blueriver der Manager ein oesterreichischer Hobbybiker war, der gleich Nathans Velo durchcheckte und uns Ersatzschlaeuche verkaufen konnte. Das Knacken brachte er zwar nicht weg, aber die Weiterfahrt nach Valemount und zum Mount Robson (diesmal nur 40 Kilometer) verlief ohne unliebsame Zwischenfaelle.
Der Mount Robson ist mit 3954 Meter der hoechste Berg in den kanadischen Rocky Mountains und wir hatten das Glueck, ihn trotz sehr wechselhaftem Wetter unverhuellt zu sehen. An seinem Fuss verlaeuft eine Wanderung, die sehr beruehmt sein soll und in jedem Reisefuehrer waermstens empfohlen wird, der Berg Lake Trail. Da wir eh langsam genug vom Velo Fahren und vom Highway hatten, verbrachten wir denn ca. zwei Stunden damit, unsere Tagesrucksaecke so zu packen, dass es fuer drei Tage “Wildnis” reichen wuerde. Es war kein einfaches Unterfangen und kostete viel Nerven, aber es lohnte sich.
Die Campinggebuehren mussten wir im Voraus zahlen, und nach langem Hin und Her entschieden wir uns, die 21 Kilometer bis zum Berg Lake an einem Tag in Angriff zu nehmen und dort gleich zwei Naechte zu zelten. Das ueberfluessige Gepaeck konnten wir im Visitor’s Center lassen, und am Dienstag morgen ging’s nach sehr kraeftigem Fruehstueck im Restaurant nicht allzu frueh los.
Gleich anfangs Weg machten wir Bekanntschaft mit dem Ranger, der seine Schicht anfing. Woher wir kaemen, fragte er, und auf unsere Antwort dann die ueberraschende Bemerkung “Eh, de choei mer ja grad Schwyzerduetsch rede.” Er heisst Chrigel, kommt aus Adelboden und oberlaenderet trotz 36 Jahren in Kanada noch akzentlos. Einen Teil des Weges begleitete er uns, dann blieb er wegen seinen Plumpskloreinigungspflichten zurueck. Der Weg war zwar lang, aber die versprochene Kletterei war sehr human, und die Baeche, Wasserfaelle und Seen auf der Strecke lohnten die Strapatzen.
Der Berg Lake Campground hat zwar keine Duschen und kein fliessend Wasser (ausser aus den Baechen), dafuer liegt er sensationell schoen am Gletschersee, auf dem Eisberge gondeln, und das gemuetliche Kuechenhaus (ohne Kochherd, aber wir hatten ja unseren Benzinkocher dabei), in dem wir Leute aus aller Welt trafen, war uns in der Kaelte mehr als willkommen. Ausserdem koennte man den Sitzplatz am See problemlos fuer ein Wachturm-Frontfoetteli verwenden: unzaehlige Streifenhoernchen lieferten sich Verfolgungsjagden oder knabberten Tannzaepfen, ein Wiesel flitzte umher und schaute uns beim Abwasch zu, ein Murmeltier graste am Baechlein. Fehlte eigentlich nur der friedliche kuschelige Baer… Der kam aber gluecklicherweise nicht, wir hatten ja auch all unser Essen brav in der Baerenbox eingeschlossen.
Nach einer sehr kalten Nacht (um die 0 Grad, es soll immer noch 10 Grad kaelter sein, als normalerweise, aber wenigstens hatten wir die drei Tage Wetterglueck und viel Sonnenschein) schliefen wir am naechsten Tag aus, fruehstueckten Mueesli, buken Brot in der Pfanne (nicht schlecht, hae?) fuers Picknick und und kletterten noch etwas hoeher. Die Wanderung fuehrte ziemlich anstrengend durch Schnee, aber wir wurden mit einer Superaussicht ueber die Rockies belohnt.
Abends dann der einzige Regen in den drei Wandertagen, da kam uns Chrigels Einladung zu einem Tee in die Rangerhuette gerade recht. Die Ranger waren zu zweit, und die Geschichten, die sie uns erzaehlten, spannend: so war an diesem Tag nur 650 Meter vom obersten Zeltplatz eine Grizzlyforschungsstation mit Lockmittel aufgebaut worden. Vom Tee aufgewaermt, verbrachten wir die zweite eisige Nacht auf 1600 Meter. Gestern ging’s dann im Eilschritt wieder runter, damit wir vor 17 Uhr unser Gepaeck wieder abholen konnten.
Die drei Tage Sonnenschein bezahlten wir mit einer Nacht Regen, unser Zelt mussten wir heute Morgen feucht einpacken…
… Zeit ist um, Fortsetzung folgt.